dbb magazin 7/8 2015 - page 24

Tagung der CESI-Akademie:
Arbeitnehmerrechte in der Krise
Die Finanz- und Wirtschaftskrise hat die Beziehungen zwischen Arbeitgebern
und Arbeitnehmern im öffentlichen Dienst in Europa stark strapaziert. Bereits
begonnene Umstrukturierungen in den öffentlichen Verwaltungen wurden
unter dem Druck klammer öffentlicher Kassen verschärft, gleichzeitig ver-
stummte in einigen Mitgliedstaaten der soziale Dialog. Am 25. und 26. Juni
2015 diskutierten 150 Gewerkschafter aus ganz Europa während einer Fachta-
gung der CESI-Akademie in Dublin, wie die Rechte der Arbeitnehmer trotz not-
wendiger Reformen und wirtschaftlicher Zwänge gestärkt werden können.
„Die Wirtschafts- und Finanz-
krise spart keinen Sektor aus
– die Privatwirtschaft ebenso
wenig wie den öffentlichen
Sektor. Zahlreiche Arbeitneh-
mer sind von Umstrukturie­
rungen betroffen“, erläuterte
Emilio Fatovic, Präsident der
CESI-Akademie. Während der
zweitägigen Fachtagung mit
dem Titel „Bessere Antizipati-
on von Veränderungen und
Umstrukturierungen in den
öffentlichen Verwaltungen in
Europa: Die Rolle der Unter-
richtung und Anhörung der
Arbeitnehmer“ wurden Ende
Juni in Dublin mehrere Fallbei-
spiele aus den einzelnen Mit-
gliedsländern präsentiert, die
aufzeigen sollten, wie Um-
strukturierungen im Dialog
vorbereitet und durchgeführt
werden können. Da das im eu-
ropäischen Primärrecht veran-
kerte Recht auf Unterrichtung
und Anhörung der Arbeitneh-
mer im öffentlichen Sektor in
den Mitgliedstaaten unter-
schiedlich umgesetzt wird, gibt
es große Unterschiede bei der
praktischen Gestaltung solcher
Prozesse. „Dieser Sachverhalt
zieht eine ungleiche Situation
nach sich, indem die Rechte der
Arbeitnehmer des privaten
Sektors besser geschützt wer-
den als diejenigen der Beschäf-
tigten im öffentlichen Sektor“,
so Fatovic.
CESI-Generalsekretär Klaus
Heeger wies auf die Folgen der
Umstrukturierungen für die
Beschäftigten hin. „Besonders
in der aktuellen Krise brauchen
die Menschen die öffentlichen
Dienste. Obwohl die Ansprü-
che an den öffentlichen Sektor
stetig steigen, wird sowohl bei
der Ausstattung als auch beim
Personal gespart. Personal
wurde entlassen, Renten wur-
den gekürzt und Gehälter ein-
gefroren. Als Folge davon hat
sich die Arbeitsbelastung für
die öffentlich Bediensteten
deutlich erhöht, während sich
die Arbeitsbedingungen ver-
schlechtert haben. Deshalb ha-
ben viele Arbeitnehmer in der
öffentlichen Verwaltung mehr
Stress und als Folge dessen
psychosoziale Gesundheits­
probleme.“ Vor allem diese
„Zurückgelassenen“, im Engli-
schen wird von „Survivors“ ge-
sprochen, dürften nicht alleine
gelassen werden. „Es reicht
nicht, zu sagen ‚Sei doch froh,
dass Du überhaupt noch Arbeit
hast!‘ Der Arbeitgeber hat eine
klare Fürsorgepflicht, die nicht
einem vollkommen falsch ver-
standenen Effizienzgedanken
geopfert werden darf.“
Heeger betonte, dass gerade in
Zeiten der Krise angemessene
Arbeitsbedingungen für die Be-
schäftigten der öffentlichen
Verwaltung gewährleistet wer-
den müssen. Arbeitnehmer
sollten die Möglichkeit haben,
bei der Gestaltung ihrer Ar-
beitsbedingungen und der Or-
ganisation der Arbeitsabläufe
mitzusprechen „Nur so ist eine
positive Identifikation mit der
eigenen Arbeit möglich.“ Die
praktische Erfahrung der Be-
schäftigten sei zudem zu wert-
voll, um sie nicht in die Refor-
men mit einzubeziehen, so der
CESI-Generalsekretär.
Heeger lobte deshalb die Bemü-
hungen der europäischen Sozi-
alpartner im sektoralen sozialen
Dialog Zentralverwaltung zu
Unterrichtung und Anhörung
im öffentlichen Dienst. „Die
gemeinsame Arbeitnehmer­
delegation aus EPSU (European
Federation of Public Service
Unions) und CESI setzt sich im
sozialen Dialog für einen hohen
Standard der Arbeitnehmerbe-
teiligung ein. Es kann nicht sein,
dass Arbeitnehmer im öffentli-
chen Sektor deutlich weniger
Rechte haben als solche im pri-
vaten Sektor, das muss sich in
der Praxis dringend ändern.“
dak photography/CESI (4)
MEV
<<
Emilio Fatovic, Präsident der CESI-Akademie
<<
Der irische Forschungsminister
Damien English begrüßte die
Tagungsteilnehmer.
<<
Klaus Heeger, CESI-General­
sekretär
24
spezial
dbb
>
dbb magazin | Juli/August 2015
1...,14,15,16,17,18,19,20,21,22,23 25,26,27,28,29,30,31,32,33,34,...48
Powered by FlippingBook