dbb magazin 7/8 2015 - page 14

Ausgaben von Ländern und
Kommunen und die Gesamt-
schuldensituation ein. „Wäh-
rend der Bund die ‚Schwarze
Null‘ erreicht hat, bestehen
zwischen den Haushalten der
Bundesländer beträchtliche
Unterschiede“, stellte Junkern-
heinrich fest. Diese Disparität
nehme stetig zu. Die Schulden-
bremse greife zwar „mehr oder
weniger gut“, enge aber die ak-
tuellen Handlungsmöglichkei-
ten ein. Junkernheinrich ver-
wies darauf, dass Deutschland
stetig abnehmende Wachs-
tumsraten habe, was unter an-
derem daran liege, dass sich
Wirtschaftswachstum zurzeit
in Europa kaum entfalte. „Stei-
gerungsraten, wie sie die Vor-
gängergenerationen erlebt ha-
ben, werden kaummehr zu
realisieren sein“, zeigte sich der
Fachmann skeptisch. Auch die
Lösung des Altschuldenprob-
lems sei schwierig. „Wird das
konkret angesprochen, leisten
die ‚sparsamen‘ Länder Wider-
stand. Sie wollen nicht für das
Verhalten der verschuldeten
Länder zur Verantwortung ge-
zogen werden.“ Momentan, so
Junkernheinrich weiter, sei die
Situation der verschuldeten
Länder, Städte und Kommunen
durch die niedrige Zinsbelas-
tung sogar noch relativ erträg-
lich. „Wie mag das sein, wenn
wir wieder in anderes konjunk-
turelles Fahrwasser kommen?“
Unter dem Stichwort Zinsän-
derungsrisiko rechnete Jun-
kernheinrich vor: Wenn sich die
Zinsen nur um zwei Prozent
erhöhen, wachse die Verschul-
dung in Rheinland-Pfalz auf
235 Millionen Euro, in Nord-
rhein-Westfalen gar auf eine
Milliarde Euro. „Das ist mehr
als alle Hilfsprogramme der Eu-
ropäischen Zentralbank (EZB)
zusammen.“ Möglichkeiten zu
einer strukturellen Entlastung
der Kommunen sieht Junkern-
heinrich unter anderem in ei-
ner Beteiligung des Bundes an
der Finanzierung der Sozial-
kosten.
Die Fragestellung „Umsetzung
der Schuldenbremse auf Kos-
ten der Zukunft?“ wurde im
Anschluss lebhaft diskutiert.
Dazu hatten sich neben Staats-
sekretär Gatzer auch Thomas
Eigenthaler, dbb Vize und Bun-
desvorsitzender der Deutschen
Steuer-Gewerkschaft (DSTG),
die Staatssekretärin im Finanz-
ministerium des Landes Bran-
denburg, Daniela Trochowski
(Die Linke), und Franz-Reinhard
Habbel, Sprecher des Deut-
schen Städte- und Gemeinde-
bundes, auf dem Podium ein-
gefunden.
<<
Pro und contra
Schuldenbremse
Während Habbel die Einfüh-
rung der Schuldenbremse als
„richtigen Weg“ bezeichnete,
weil stabile Staatsfinanzen ge-
braucht würden, zeigte sich
Trochowski kritisch: Die Schul-
denbremse nütze privaten
Geldgebern dabei, Gewinne
auf Kosten der Allgemeinheit
zu erzielen, so die Finanz­
staatssekretärin. „Das belas-
tet die öffentlichen Haushalte
langfristig natürlich viel stär-
ker, da Versicherungen oder
Banken solche Projekte nicht
aus Liebe zur Allgemeinheit,
sondern mit klaren Gewinner-
wartungen finanzieren.“ Zu-
dem dürfe die Finanzpolitik bei
Haushaltsproblemen nicht nur
auf die Ausgabenseite schau-
en, sondern müsse auch die
Einnahmen im Blick haben.
Thomas Eigenthaler verwies
darauf, dass Deutschland im
internationalen Vergleich
(etwa zu Japan) „keinen so
schlechten Wert“ bei den
Schulden im Vergleich zum
Bruttoinlandsprodukt habe.
Die Kommunen könnten nach
Auffassung Eigenthalers auch
selbst noch nach Möglichkei-
ten sehen, „wo etwas zu heben
wäre“. Kritisch sieht der dbb
Vize, dass allzu oft der öffentli-
che Dienst das Ziel ist, wenn
es um Sparmaßnahmen geht.
Dies sei auch angesichts der
„Alterspyramide“ in der Ge­
sellschaft unverantwortlich.
„Ein richtiger Mix muss her“,
forderte Eigenthaler. Auch
Staatssekretärin Trochowski
kritisierte den Stellenabbau
in der öffentlichen Verwal-
tung. Gleiche Aufgaben seien
eben nicht gleich gut mit deut-
lich weniger Personal zu er­
füllen.
Einig waren sich die Diskussi-
onsteilnehmer darüber, dass
Fragen neu gestellt und beant-
wortet werden müssen, etwa:
Was muss, was kann der Staat
künftig noch leisten? Welches
Bild von Deutschland wollen
wir? Dies erfordere politische
Entscheidungen.
Aus Sicht des dbb, dieses Fazit
zog der stellvertretende Bun-
desvorsitzende und Fachvor-
stand Beamtenpolitik, Hans-Ulrich Benra, bleibe das Thema
der Fachtagung hochaktuell.
„Am Schuldenabbau und Um-
gang mit der Schuldenbremse
hängen auch Zukunftschancen
für Deutschland“, sagte er in
seinem Schlusswort. Und dabei
gehe es schließlich auch immer
um die Finanzierbarkeit des
öffentlichen Dienstes. „Wir
wollen keine Einschnitte bei
Besoldung und Versorgung un-
serer Beamtinnen und Beam-
ten hinnehmen, auch nicht,
wenn es zur Begründung heißt,
diese seien zur Haushaltskon-
solidierung notwendig“, mach-
te Benra deutlich. Auch die
notwendige Verjüngung des
öffentlichen Dienstes sei nur
bei entsprechender Wertschät-
zung für das Personal zu errei-
chen.
cok/cri
<<
Werner Gatzer
<<
Hans-Ulrich Benra
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