dbb magazin 7/8 2015 - page 35

demMotto „Altern ist natür-
lich“ auf die fünf Stationen des
Rundgangs ein. Zu sehen ist
ein weibliches Gesicht – und
wie es sich von der Kindheit bis
ins hohe Alter verändert. Im
Raum „Altern ist individuell“
geht es danach um persönliche
Vorstellungen, Erlebnisse und
Erfahrungen des Alterns. Man
sitzt gemeinsam um einen gro-
ßen, türkisblauen Tisch, groß-
formatige Schwarz-Weiß-Fotos
geben Anstöße für den Gedan-
kenaustausch. „Was bedeutet
für Sie glückliches Altern?“,
fragt Loebert in die Runde und
ermuntert dazu, ein passendes
Foto auszuwählen. Die Ant-
worten: Nicht allein sein,
Freunde treffen, sich unterhal-
ten, zusammen Spaß haben, es
sich gemütlich machen, am Le-
ben teilhaben, sich sportlich,
handwerklich oder künstlerisch
betätigen, mit Enkelkindern die
eigenen Kinder noch einmal
neu entdecken, etwas weiter-
geben von den Erfahrungen,
aber auch selbst immer noch
Neues hinzulernen und ja,
auch: von Herzen faul sein kön-
nen. „Vom eigenen Rhythmus
lenken lassen“, sagt eine der
Besucherinnen. Sie hat sich
für ein Foto mit drei älteren
Schwimmerinnen im Freibad
entschieden, „weil Wasser
eben mein Element ist“.
Weiter geht es in den knallig
gelb gestalteten Raum, der
„Die Vielfalt des Alterns“ mit
interaktiven Stationen veran-
schaulicht. Egal, ob Schulkind
oder Rentner, alle können hier
selbst erleben, wie sich körper-
liche und sensorische Ein-
schränkungen bemerkbar ma-
chen – etwa, wenn man trotz
verminderten Hörvermögens
ein Kinoticket telefonisch be-
stellen oder mit zittriger Hand
ein Türschloss öffnen will.
Dass das Treppensteigen im
Alter für die meisten Men-
schen beschwerlicher wird,
lässt sich anhand von Ge-
wichtsmanschetten nachvoll-
ziehen, die man um die Beine
legt. Oder wie ist ein Sehtest
zu meistern, wenn man „Grau-
en Star“ hat? Wie lässt sich ein
Videospiel mit eingeschränk-
tem Tastsinn spielen? Die
Simulationen werden von den
jüngeren Besuchern zumeist
erstaunt, von den älteren teils
mit Bemerkungen wie „Genau
so fühlt es sich an“ quittiert.
<<
Ältere entscheiden
klüger
Dass Gelassenheit, Lebenser-
fahrung, ja Weisheit das Alter
lebenswert machen (und hal-
ten) können, veranschaulichen
fünf Altersgeschichten. Die Er-
zähler erscheinen als bewegte
Gesichter auf Zeltleinwänden.
Eine Frau berichtet zum Bei-
spiel von ihrer späten, über das
Internet gefundenen Liebe. Ein
alter Mann erzählt, wie er vor
Jahren wegen Krankheit ins
Pflegeheim kam, dies als „trau-
rigen Laden“ empfand und be-
schloss: „Karl, dich kriegen sie
nicht unter.“ Seitdem betrach-
tet er es als seine Arbeit, mit
dem Rollator unterwegs zu
sein und mit steter Freundlich-
keit gute Laune unter den Be-
wohnern zu verbreiten. Er
kommt zu dem Schluss: „Die
Tage sind immer zu kurz, man
muss jede Stunde genießen.
Das Leben ist nicht langweilig.“
Schließlich schlüpft der Senior-
Guide noch kurz in die Rolle ei-
nes Quizmasters. Die Besucher
werden in einer Art kleinem
Amphitheater zu Themen von
Bevölkerungsentwicklung und
demografischemWandel be-
fragt – und nicht selten klaffen
beim Bedienen der Mitspielge-
räte (à la Günther Jauchs „Wer
wird Millionär?“) dabei Schät-
zungen und Realität doch
ziemlich weit auseinander.
Aber trotz Hörschwierigkeiten,
nachlassendem Sehvermögen
und Verlust an Kraft und
Schnelligkeit: Die Ausstellung
ermutigt dazu, dem Alter im-
mer auch Positives abzugewin-
nen. Schließlich haben 60-Jäh-
rige rund vier Mal so viele
Informationen gespeichert wie
20-Jährige und sind deshalb
mehr denn je zuvor in der Lage,
kluge Entscheidungen zu tref-
fen. Zum guten Schluss können
die Ausstellungsbesucher an
Bildschirmen ihr Wissen rund
ums Alter(n) testen und noch
Rezepte für gesundes und akti-
ves Altwerden mit nach Hause
nehmen.
cok
<<
Info
Die Ausstellung „Dialog mit
der Zeit“ ist noch bis zum
23. August 2015 imMuse-
um für Kommunikation
Berlin, Leipziger Straße 16
in Berlin-Mitte zu sehen.
Geöffnet ist dienstags von
9 bis 20 Uhr, mittwochs bis
freitags von 9 bis 17 Uhr, an
Wochenenden und Feierta-
gen von 10 bis 18 Uhr. Der
Eintritt kostet vier, ermäßigt
zwei Euro. Alle Besucherin-
nen und Besucher erleben
die Ausstellung in Beglei-
tung der eigens geschulten
Senior-Guides; Führungen
beginnen alle 30 Minuten.
Mehr Informationen unter
Bundespräsident Joachim Gauck sprach
zur Eröffnung von „einer Ausstellung
über die Kunst des Alterns“ und lud dazu
ein, „dem gewandelten Lebensgefühl
vieler Menschen besser Rechnung zu tra-
gen“. Alle Politikfelder seien gefordert
– Bildung und Arbeit, Gesundheit,
Wohnen, Infrastruktur. „Eine Gesell-
schaft des längeren Lebens braucht eine
Politik des längeren Atems“, so Gauck.
Kay Herschelmann
Bert Bostelmann
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