• Foto zum Thema sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz: Zu sehen ist eine Frau, die am Schreibtisch im Büro sitzt, und von einem Mann an der Schulter berührt wird. Ihr Blick verrät, dass es ihr nicht gefällt.
    Aufdringliches Berühren ist ein Beispiel für sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz.

Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz

Diese Informationen helfen Betroffenen weiter

Wer sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz erlebt, ist in der Regel mit der Situation überfordert. Die AG Diversity der dbb jugend hat Antworten auf die wichtigsten Fragen zusammengestellt.

FAQ: Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz

1. Was steht im AGG zum Thema sexuelle Belästigung?

2. Wie urteilt das Bundesarbeitsgericht?

3. Was sind Beispiele für sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz?

4. Wann kommt sexuelle Belästigung besonders oft vor?

5. Was sind die Folgen für Betroffene?

6. Wie bewertet die AG Diversity der dbb jugend die aktuelle Situation?

Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz ist ein unangenehmes Thema. Trotzdem hat sich die AG Diversity der dbb jugend damit auseinandergesetzt. Zum einen, um Diskriminierung in der Arbeitswelt und Gesellschaft entgegenzuwirken. Und zum anderen, weil einige Gewerkschaftsmitglieder bereits persönliche Erfahrungen machen mussten.

Grundsätzlich fallen unter sexuelle Belästigung Verhaltensweisen, die einen Menschen aufgrund seines Geschlechts erniedrigen, herabwürdigen oder demütigen. Genauere Definitionen liefern das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) und ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts.

1. Was steht im AGG zum Thema sexuelle Belästigung?

Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) wurde 2006 verabschiedet. Ziel des Gesetzes ist, „Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen“ (§ 1).

Der Anwendungsbereich erstreckt sich ebenfalls auf das Arbeitsleben: Niemand darf beispielsweise bei der Einstellung aus den genannten Gründen benachteiligt werden (§ 2).

Die entscheidende Definition von sexueller Belästigung findet sich in § 3 AGG, Absatz 4. Dort heißt es:

„Eine sexuelle Belästigung ist eine Benachteiligung (…), wenn ein unerwünschtes, sexuell bestimmtes Verhalten, wozu auch unerwünschte sexuelle Handlungen und Aufforderungen zu diesen, sexuell bestimmte körperliche Berührungen, Bemerkungen sexuellen Inhalts sowie unerwünschtes Zeigen und sichtbares Anbringen von pornografischen Darstellungen gehören, bezweckt oder bewirkt, dass die Würde der betreffenden Person verletzt wird, insbesondere wenn ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird.“

Laut § 7 AGG sind sämtliche Benachteiligungen verboten. Daraus ergibt sich, dass alle Regelungen, die sich auf das Verbot von Benachteiligung beziehen, auch für die sexuelle Belästigung gelten. Das Europarecht, aus dem das AGG entstanden ist, spricht im selben Sinne von Diskriminierung.

Die Einstufung als sexuelle Belästigung ist subjektiv. Heißt: Ausschlaggebend dafür, ob es sich im Einzelfall um sexuelle Belästigung handelt, sind das individuelle Empfinden und die individuellen Grenzen der betroffenen Person.

2. Wie urteilt das Bundesarbeitsgericht?

Das Bundesarbeitsgericht hat in einem Urteil aus dem Jahr 2011 eine klare Definition von sexueller Belästigung am Arbeitsplatz formuliert (BAG 09.06.2011 – 2 AZR 323/10). Demnach spielen bei der Einordnung folgende Faktoren eine Rolle:

  • Das jeweilige Verhalten muss bewirken oder bezwecken, dass die Würde der betreffenden Person verletzt wird.
  • Relevant ist entweder das Ergebnis oder die Absicht.
  • Für das Bewirken genügt der bloße Eintritt der Belästigung.
  • Gegenteilige Absichten oder Vorstellungen der für dieses Ergebnis aufgrund ihres Verhaltens objektiv verantwortlichen Person spielen keine Rolle.
  • Auf vorsätzliches Verhalten kommt es nicht an.
  • Unmaßgeblich ist, wie die Person selbst ihr Verhalten eingeschätzt und empfunden hat oder verstanden wissen wollte.

3. Was sind Beispiele für sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz?

  • Anzügliche Witze
  • Hinterherpfeifen, Anstarren, taxierende Blicke
  • Pornografische Bilder am Arbeitsplatz
  • Anzügliche Bemerkungen über Figur und sexuelles Verhalten im Privatleben
  • Unerwünschte Einladungen mit eindeutiger Absicht
  • Po-Kneifen oder -Klapsen
  • Anrufe, E-Mails oder SMS mit sexuellen Anspielungen
  • Unerwartetes Berühren der Brust oder Genitalien
  • Androhung beruflicher Nachteile bei sexueller Verweigerung
  • Versprechen beruflicher Vorteile bei sexuellem Entgegenkommen
  • Aufforderung zu sexuellem Verkehr
  • Aufgedrängte Küsse
  • Zurschaustellen des Genitals
  • Erzwingen sexueller Handlungen, tätliche Bedrohung

4. Wann kommt sexuelle Belästigung besonders oft vor?

Macht ist der zentrale Motor der sexuellen Belästigung. Sexuelle Belästigung passiert oftmals dort, wo Menschen anderen Menschen über- beziehungsweise untergeordnet sind. Je stärker das Machtgefälle, desto wahrscheinlicher tritt sie auf. Denn es geht um die Demonstration von Macht oder auch um den Ausgleich von Machtunterschieden.

5. Was sind die Folgen für Betroffene?

Die Folgen von sexueller Belästigung am Arbeitsplatz – zum Beispiel gefühlte Ohnmacht und Entwürdigung – können zu gesundheitlichen Einschränkungen führen. Viele Betroffene leiden unter Depressionen, Weinkrämpfen, innerer Unruhe und Schlafstörungen. Sie sind mehrfach krankgeschrieben und arbeitsunfähig. Viele kündigen das Arbeitsverhältnis. Nur wenige machen ihre Ansprüche auf ein belästigungsfreies Arbeitsverhältnis geltend.

6. Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz – was tun?

Natürlich gibt es kein Patentrezept. Jede Situation ist anders, jede betroffene Person hat eine andere Art, damit umzugehen. Und häufig erwischt einen die Belästigung völlig unvorbereitet. Gegenwehr ist oft schwer.

Schlagfertigkeit ist etwas, worauf man erst 24 Stunden später kommt.

Mark Twain

Die AG Diversity der dbb jugend meint: Stiller Rückzug ist keine Option. Belästigungen kommentarlos hinzunehmen und zu akzeptieren, bewährt sich nicht. Meist verlängert es nur den Zeitraum, in dem die sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz stattfindet. Oder es führt dazu, dass sie schlimmer wird.

Hilfreich ist es immer, sich Verbündete zu suchen, zum Beispiel Personen, die ebenfalls betroffen sind oder Situationen unmittelbar miterlebt haben. Hilfreich ist auch, wenn sich die Vorfälle belegen lassen: Dazu können Gedächtnisprotokolle oder Notizen in Tagebüchern dienen.

Unterstützung bieten Beratungsstellen, unter anderem die Antidiskriminierungsstelle des Bundes.

Was ebenfalls eine Hilfe ist: sich an die zuständige Mitgliedsgewerkschaft wenden und beraten lassen. Die Gewerkschaft kann auf Wunsch der Betroffenen ihr Netzwerk aktivieren und nach Möglichkeit auch vor Ort helfen, indem sie die zuständigen Betriebsräte oder Personalräte kontaktiert. Außerdem bietet die Gewerkschaft in der Regel einen Rechtsschutz, was ein außergerichtliches Vorgehen oder im Extremfall auch ein gerichtliches Vorgehen gegen die belästigende Person ermöglicht.

6. Wie bewertet die AG Diversity der dbb jugend die aktuelle Situation?

1977 ging ein Raunen durch die Gesellschaft. Fälle von sexueller Belästigung am Arbeitsplatz fanden ihren Weg in die Öffentlichkeit und damit auch viele Betroffene, die ihre Geschichten erzählten, unter anderem im Magazin „Stern“. Gerichtliche Prozesse gegen die belästigenden Personen oder gar Kündigungen waren damals allerdings kaum von Erfolg gekrönt.

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Heute hat sich die rechtliche Situation durch das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) und das Strafgesetzbuch verbessert. Aber Betroffene befinden sich nach wie vor in einer schwierigen Situation. Besonders, wenn es sich bei den belästigenden Personen um Führungskräfte handelt.

Immer mehr Arbeitgebende, Dienstherren, Personalräte und Betriebsräte wirken darauf hin, eindeutige Regeln für den Umgang mit Fällen von sexueller Belästigung am Arbeitsplatz aufzustellen. Oftmals gibt es schon entsprechende Betriebs- beziehungsweise Dienstvereinbarungen. Diese sind betroffenen Beschäftigten aber nicht immer bekannt. Die AG Diversity der dbb jugend: Es ist wichtig, hier stärker in die Kommunikation zu gehen.

Text: Jessica Mathieu

 

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