• Foto zum Thema Sucht-Kriterien: Zu sehen ist eine verzweifelte Person mit einem Hoodie, die die Hand abweisend nach vorne streckt.
    Was ist eine Sucht? Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat Kriterien definiert, die Orientierung bieten.

Was ist eine Sucht?

Fünf Kriterien, an denen du ein Suchtproblem erkennst

Egal, ob Alkohol oder Cannabis – Suchtkriterien gelten unabhängig von der Substanz. Eine Expertin erklärt, ab wann Grund zur Sorge besteht.

Suchtkriterien auf einen Blick:

1. Starker innerer Drang

2. Zunehmender Kontrollverlust

3. Konsum wird Priorität

4. Inkaufnahme negativer Konsequenzen

5. Körperliche Abhängigkeit

    Eine Abhängigkeitserkrankung entwickelt sich häufig schleichend und unbemerkt.

    Michaela Goecke, Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA)

    Auskunft über Suchtkriterien gibt die Internationale Klassifikation der Krankheiten (kurz: ICD), welche die Weltgesundheitsorganisation (WHO) veröffentlicht. Sie unterstützt Mediziner*innen bei der Diagnose. Seit Januar 2022 ist die elfte Version der ICD in Kraft.

    Die ICD erfasst Abhängigkeiten nach Substanzen, darunter Alkohol, Cannabis und MDMA. Weiterhin nennt sie konkrete Diagnosekriterien für Glücksspielsucht (Gambling disorder) und seit 2018 auch für Computerspielsucht (Gaming disorder) – in diesen Fällen ist von Verhaltenssüchten die Rede. Zwischen den Kriterien für eine Sucht nach einer Substanz und der nach einer Verhaltensweise bestehen Überschneidungen.

    Wer feststellt, dass die folgenden Kriterien für eine Sucht auf die eigene Person zutreffen, sollte sein Konsumverhalten überdenken und Hilfsangebote in Anspruch nehmen.

    Kriterium 1: Starker innerer Drang

    „Der innere Drang, eine Droge zu konsumieren, macht sich zum Beispiel dadurch bemerkbar, dass die Gedanken ständig um die Droge kreisen“, erklärt Michaela Goecke von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA). Betroffene erleben eine starke innere Anspannung, Nervosität oder Unruhe, wenn sie nicht konsumieren können. Erst der Konsum verschafft ihnen Ruhe.

    Kriterium 2: Zunehmender Kontrollverlust

    Nur noch ein Bier, dann gehe ich nach Hause. Nur noch auf dieser einen Party nehme ich MDMA. Und nur noch diesen Abend rauche ich einen Joint, dann höre ich endgültig mit dem Kiffen auf. Bei einem problematischen Konsumverhalten lassen sich derartige Vorsätze kaum umsetzen.

    „Wer an diesem Punkt ist, hat ganz sicher ein Suchtproblem“, betont Goecke. Beispiel Alkohol: „Man will eigentlich nicht trinken, tut es aber trotzdem, weil man nicht anders kann, gegen den eigenen Willen und Vorsatz.“ So äußert sich der Kontrollverlust über das eigene Handeln.

    Kriterium 3: Konsum wird Priorität

    Alles dreht sich um den Konsum. Hobbys und soziale Kontakte spielen eine untergeordnete Rolle. Goecke: „Ein entscheidendes Alarmzeichen für Angehörige und den Freundeskreis ist, wenn der Konsum immer mehr Vorrang bekommt vor gemeinsamen Unternehmungen.“

    Menschen mit einem Suchtproblem ziehen sich immer weiter zurück, um unbemerkt zu konsumieren. Oder sie schließen sich gezielt Gruppen an, in denen sie ihre Sucht ausleben können.

    Kriterium 4: Inkaufnahme negativer Konsequenzen

    Krankheiten, finanzielle Probleme, Selbstisolation: „Die negativen Folgen des Missbrauchs von Substanzen oder einer Sucht sind vielfältig und gravierend“, berichtet die BZgA-Expertin. Die Betroffenen sind sich über die Konsequenzen im Klaren, können aber wegen der Sucht nichts an ihrem Verhalten ändern.

    Die negativen Folgen des Konsums erstrecken sich über verschiedene Bereiche. Zum einen auf den gesundheitlichen. Mit einem Substanzkonsum gehen psychische und körperliche Erkrankungen einher. „Zum anderen sind negative soziale Folgen ein häufiges Phänomen.“ Beispielsweise im Familien- und Freundeskreis und in der Schule, in der Ausbildung oder im Beruf.

    Kriterium 5: Körperliche Abhängigkeit

    Typische Entzugserscheinungen sind unter anderem Schwitzen, Händezittern, Kopfschmerzen, außerdem Nervosität, in manchen Fällen auch Depressionen und Angstsymptome. Sie können auftreten, wenn der Körper für eine bestimmte Substanz eine Toleranz entwickelt hat.

    „Toleranzentwicklung bedeutet, dass sich Körper und Gehirn an die Substanz gewöhnt haben“, erklärt Goecke. „Die Folge ist, dass die Betroffenen die Dosis der Substanz erhöhen müssen, um dieselbe Wirkung zu erzielen und um körperliche Entzugssymptome zu vermeiden.“

    Je stärker die Toleranzentwicklung, desto stärker der erforderliche Konsum, um die Sucht zu befriedigen. Ein Teufelskreis.

    Diagnose erfolgt individuell

    In welchem Zeithorizont müssen die Suchtkriterien auftreten, um von einer Sucht zu sprechen? In Bezug auf sämtliche Substanzen schreibt die WHO, dass sich die Merkmale der Abhängigkeit „in der Regel über einen Zeitraum von mindestens zwölf Monaten“ zeigen.

    Dies ist jedoch nicht in Stein gemeißelt: Ärzt*innen können die Diagnose ebenfalls stellen, wenn der Konsum über einen Zeitraum von mindestens drei Monaten kontinuierlich – also täglich oder fast täglich – erfolgt.

    Michaela Goecke unterstreicht: „Eine Abhängigkeitserkrankung entwickelt sich häufig schleichend und unbemerkt.“ Letztlich sei es immer die Aufgabe von Fachärzten, eine Abhängigkeitserkrankung individuell und im Kontext möglicher Vorerkrankungen zu diagnostizieren. Dabei bieten die Diagnosekriterien der Weltgesundheitsorganisation eine wichtige Orientierung.

    Text: Christoph Dierking

     

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