dbb Bildungsgewerkschaften

Empfehlungen zur Lehrkräftegewinnung vorgestellt

Die Ständige Wissenschaftliche Kommission (SWK) der Kultusministerkonferenz (KMK) hat am 8. Dezember 2023 ihre Empfehlungen zur „Lehrkräftegewinnung und Lehrkräftebildung für einen hochwertigen Unterricht“ vorgestellt.

Der Deutsche Philologenverband (DPhV) reagiert positiv – auch vor dem Hintergrund, dass kein „duales Lehramtsstudium“ empfohlen wird und die zuletzt vorgeschlagenen Empfehlungen des Wissenschaftsrates zur Lehramtsausbildung Mathematik im Gutachten kaum Widerhall finden. DPhV Chefin Susanne Lin-Klitzing: „Es gibt einen deutlichen Qualitätsunterschied zwischen der ersten Ad-hoc-Stellungnahme der SWK zu Beginn dieses Jahres zur Bekämpfung des Lehrkräftemangels und nun den profunden Empfehlungen im heute vorgestellten Gutachten der SWK. Damals dominierten unter Zeitdruck entstandene, eher politisch kurzfristig angeregte Zusammenstellungen. Dazu gehörte der Vorschlag für eine generelle Aufstockung des Stundendeputats von Teilzeitlehrkräften, dessen Grundlage unter anderem auch eine fehlerhafte Addition von Referendaren in die Gruppe der Teilzeitlehrkräfte war und den wir als Zumutung kritisierten. Jetzt nehmen wir reflektierte, wissenschaftlich solide Empfehlungen der SWK als Schritte in die richtige Richtung für eine verbesserte Personalplanung sowie ein umfassendes und strukturiertes Konzept für die Lehrkräftebildung und für die Fort- und Weiterbildung der Lehrkräfte wahr. Wir hoffen, dass die Kultusminister und -ministerinnen diese Chance ergreifen und sich neu ihrer Verantwortung stellen, um sich über den bisherigen bunten Flickenteppich hinaus gemeinsam an den wissenschaftsbasierten Empfehlungen für eine bessere, an gemeinsamen Leitlinien orientierte Lehrkräftebildung zu orientieren.“

Der DPhV unterstütze bis auf einige Abstriche die SWK-Empfehlungen für die erste Phase der Lehrkräftebildung an der Universität, für die zweite, am Studienseminar zu erhaltende Phase und neu für ein qualifiziertes Mentoring in der Berufseinstiegsphase. Damit habe die Kommission einem „dualen Lehramtsstudium“ erfreulicherweise eine Absage erteilt. Wasser im Wein sei aus Sicht des DPhV, dass sich die SWK bei der Beibehaltung der zweiten Phase für ein „in der Regel 12-monatiges Referendariat“ ausspreche, um der Forderung nach einer sechsjährigen Lehramtsausbildung insgesamt vor dem Hintergrund der in vielen Bundesländern umgesetzten „Bologna-Lehrerbildung“ mit Bachelor-Master-Abschlüssen zu entsprechen. Diese führe mit einem dem Lehramt fremden ersten, angeblich berufsqualifizierenden BA-Abschluss und dem anschließenden Master zu einer verlängerten Regelstudienzeit von 10 Semestern, woraus häufig eine Kürzung des Referendariats resultiere. Das Positive eines in der Regel 12-monatigen Referendariats sei jedoch, dass dies gleichwohl umsichtig Spielräume für die Länder eröffne. Unter anderem  könnten die Bundesländer, die das Lehramtsstudium mit einer kürzeren Regelstudienzeit umsetzten, wie dies beim universitären Abschluss Staatsexamen unkompliziert der Fall sei, fürsorglich ein entsprechend deutlich längeres Referendariat für ihre Lehramtsanwärterinnen und -anwärter anbieten.

Zu den vorgestellten Empfehlungen kommentiert der Bundesvorsitzende des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE) Gerhard Brand: „Die Maßnahmen zielen auf eine hohe, und insbesondere für die bisher nicht angemessen qualifizierten Personen steigende, Qualifikation ab. Das ist eine beeindruckend klare Position, die sich gegen den Trend der Deprofessionalisierung stellt. Die Reaktion der Kultusministerinnen und Kultusminister in der Pressekonferenz lässt aber zweifeln, ob die Empfehlungen tatsächlich umgesetzt werden. Mit Verweis auf die Realität an den Schulen wird argumentiert, dass die Empfehlungen nicht oder nur teilweise umsetzbar sind. So bekommt man den Eindruck, dass das Gutachten eine Kröte ist, die nicht alle schlucken möchten. Aber die KMK hat mit dem Gutachten die Büchse der Pandora geöffnet und wird sich nun daran messen lassen müssen, wie ernst sie die Stimme der Wissenschaft nimmt.“

Generell müsse darauf geachtet werden, dass Menschen prioritär für das klassische Lehramtsstudium gewonnen werden sollten. Die Realität des immensen Lehrkräftemangels zwinge aber zur Einstellung von Menschen im Seiten- und Quereinstieg. Diese werden oft nicht angemessen vorqualifiziert und auch nicht ausreichend berufsbegleitend weiterqualifiziert. „So kann kein hochwertiger Unterricht abgesichert werden“, sagt der VBE Chef. Eine bessere Qualifizierung sei daher dringend angeraten. Jedoch: „Der Ein-Fach-Master ist noch nicht zu Ende gedacht. Er geht an der schulischen Realität vorbei, weil gerade an kleinen Schulen gar nicht ausreichend Stunden gebraucht werden, sodass sich dann mehrere Schulen eine Lehrkraft teilen müssten. Zudem sieht die Wissenschaft nicht, wie diese Person am Ende fachfremd unterrichtet. Das ist ein Einfallstor für Deprofessionalisierung.“

Die SWK schlägt auch vor, dass Studierende, die bereits im Studium in der Schule unterrichten, dies angerechnet bekommen können auf die Referendariatszeit, sodass diese auf 12 Monate gekürzt werden würde. Der VBE Bundesvorsitzende sieht dies kritisch: „In der zweiten Phase der Ausbildung würden dann Studierende ohne und mit Praxiserfahrung angemessen begleitet werden müssen. Das ist organisatorisch schlicht nicht leistbar. Außerdem verkennt die Anrechnung einen wichtigen Aspekt der Ausbildung: Das Referendariat ist Schutzraum und muss Möglichkeit zum Austesten und Fehlermachen bieten. Diese Zeit einfach zu verkürzen, ist nicht Gewinn, sondern Verlust.“

Der VBE Bundesvorsitzende Brand verweist noch auf einen weiteren Punkt: „Die SWK hat in den Fokus gestellt, wie die Menschen, die vor der Klasse stehen, qualifiziert sein müssen. Die KMK muss nun in den Blick nehmen, wie diese Personen im System gehalten werden. Dafür braucht es bessere Rahmenbedingungen. Die beste Werbung für den Beruf wäre eine gut ausgestattete Schule mit angemessen großen Lerngruppen und funktionierender Infrastruktur von der Schultoilette bis zum Smart Board sowie der Unterstützung durch multiprofessionelle Teams. Nur so kann hochwertiger Unterricht gewährleistet werden.““

Auch aus Sicht des Verbandes Deutscher Realschullehrer (VDR) enthalten die SWK-Empfehlungen einige zielführende Maßnahmen, um die Qualität der Lehrkräfteausbildung für die Zukunft zu sichern und gleichzeitig wieder mehr junge Menschen für das Lehramtsstudium zu motivieren. Damit das gelinge, bedürfe es allerdings einiger Weichenstellungen. Der VDR-Bundesvorsitzende Ralf Neugschwender sagte: „Die Anfang dieses Jahres verkündeten Vorschläge für kurzfristige ‚Notmaßnahmen‘ der SWK zum Umgang mit dem Lehrkräftemangel wie beispielsweise die Begrenzung von Teilzeitmöglichkeiten oder die Weiterbeschäftigung von Ruheständlern haben viel Vertrauen bei der Schulfamilie zerstört. Daher sind wir zunächst erleichtert, dass die SWK im aktuellen Gutachten nun zu Empfehlungen übergeht, die auf professionell ausgebildete Lehrkräfte, eine bessere Verzahnung von erster, zweiter und dritter Phase des Lehramtsstudiums sowie auf eine bessere Planbarkeit beim Lehrkräftebedarf abzielen.“

Angesichts der Herausforderungen der gestiegenen Migration, der fortschreitenden Digitalisierung und der Tatsache, dass Demokratie immer mehr unter Druck gerate, müsse alles getan werden, damit die Schulen nicht nur eine auf Kante genähte Versorgung mit Lehrkräften erhalten. Neugschwender: „Die genannten Zukunftsaufgaben erfordern eine Versorgung mit 100 Prozent plus einem großen X. Entscheidend dabei ist, dass das ohnehin am Limit agierende Bestandspersonal an den Schulen nicht zusätzlich belastet wird. Das geht aber nur, wenn ausreichend Lehrkräfte im System sind und der Nachwuchs im Lehramt gewährleistet ist. Der aktuelle Mangel darf nicht durch eine Erhöhung der Unterrichtsverpflichtung, kaum qualifizierte Studierende als Vertretungslehrkräfte oder durch die vielen Sondermaßnahmen im Quer- und Seiteneinstieg kaschiert werden. Daher ist es absolut richtig und wichtig, wenn die SWK jetzt alle Bundesländer auffordert, endlich vergleichbare und verlässliche Prognosen zum Lehrkräftebedarf aufzustellen. Diese Kennzahlen bei Studienanfängerzahlen oder bei der Zu- und Abwanderung in einem Bundesland sind zwingend auch regelmäßig einem Update zu unterziehen, ohne ein neues Bürokratiemonster an den Schulen zu etablieren. Der so genannte „Schweine-Zyklus“ aus zu viel oder zu wenig Angebot an Stellen muss der Vergangenheit angehören. Es braucht Planbarkeit für Studierende wie für Schulen.“

 

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