- Vor dem Schlafengehen noch schnell die Nachrichten checken? Bei manchen Jugendlichen werden Medien zur Sucht.
Mediensucht bei Jugendlichen
Internet, Smartphone, Computer – wenn digitale Medien zur Sucht werden
Ohne Smartphone aus dem Haus? Insbesondere für Jugendliche undenkbar. Ein Experte warnt vor Mediensucht.
Die deutschen Haushalte sind medial gut ausgestattet: Smartphones, Computer, Laptops, Tablets, stationäre und tragbare Spielkonsolen und ein Internetzugang sind nahezu überall vorhanden. Die Nutzung des reichen digitalen Medienangebots ist längst selbstverständlich und prägt die Freizeitgestaltung von Kindern und Jugendlichen maßgeblich.
Risiko für Mediensucht bei Jugendlichen
Viele Jugendliche besitzen eigene Geräte und müssen diese nicht mehr mit anderen Haushaltsmitgliedern teilen. Das führt zu intensiver Nutzung.
Laut Zahlen der aktuellen JIM-Studie nehmen Internet- und Smartphonenutzung den überwiegenden Teil der Medienbeschäftigung ein. Digitale Spiele beanspruchen etwa bei 76 Prozent der Jugendlichen regelmäßig Zeit – und dies weiterhin deutlich mehr als vor Pandemiebeginn. Ihre generelle Mediennutzungsdauer schätzen Zwölf- bis 19-Jährige auf durchschnittlich 204 Minuten pro Wochentag. Im Pandemiejahr 2020 waren es sogar 258 Minuten täglich.
Im Bereich Gaming ist eine Verstetigung der erhöhten Mediennutzung zu sehen. Durchschnittlich spielen Jugendliche täglich 109 Minuten digital (2021: 110 Minuten), was deutlich über dem Wert von 2019 (81 Minuten) liegt.
Über die JIM-Studie
Herausgeber der Studienreihe JIM (Jugend, Information, Medien) ist der Medienpädagogische Forschungsverbund Südwest, eine Kooperation der Landesanstalt für Kommunikation Baden-Württemberg (LFK) und der Medienanstalt Rheinland-Pfalz. Auch der Südwestrundfunk (SWR) ist beteiligt. Die Studienreihe erscheint seit 1998 jährlich. Sie analysiert das Medienverhalten von Jugendlichen in Deutschland im Alter von zwölf bis 19 Jahren.
In Anbetracht der Zahlen verwundert es nicht, dass Eltern, Pädagog*innen, Mediziner*innen und Wissenschaft das digitale Mediennutzungsverhalten zunehmend kritisch betrachten. Das Thema Mediensucht bei Jugendlichen rückt in den Fokus.
Computerspiel-Sucht: Offiziell anerkannt
Aktuell ist ein pathologischer Mediengebrauch als eigenständiges Störungsbild nur für Computer- beziehungsweise Videospiele offiziell anerkannt: Im Jahr 2018 hat die Weltgesundheitsorganisation (WHO) „Gaming Disorder“ als Unterkategorie der Verhaltenssüchte aufgenommen und damit offiziell als Krankheitsbild beschrieben.
Das Störungsbild ist in der Internationalen Klassifikation der Krankheiten (ICD-11) im Bereich der Verhaltens- und Neuroentwicklungsstörungen aufgeführt. Jedoch lässt sich auch ein suchtähnliches Verhalten bei der exzessiven Nutzung von sozialen Netzwerken wie Instagram oder TikTok beobachten.
Internet-Sucht: Bis zu vier Prozent betroffen
Artur Schroers, Leiter des Drogenreferats Frankfurt am Main, erläuterte kürzlich im Interview mit der Frankfurter Rundschau:
„Nach einer Studie des Deutschen Zentrums für Suchtfragen des Kindes- und Jugendalters erfüllten 2,7 Prozent der Befragten die Kriterien einer Computerspielsucht. 2021 waren es 4,1 Prozent. Bei der Abhängigkeit von sozialen Medien stieg der Wert von 3,2 Prozent auf 4,6 Prozent. Eine weitere Studie der Ambulanz für Spielsucht, Universitätsmedizin Mainz, geht von circa zwei bis vier Prozent der Jugendlichen aus, die die Kriterien für eine Internet-Sucht erfüllen, weitere vier bis acht Prozent weisen ein auffälliges Nutzungsverhalten auf. In der Allgemeinbevölkerung liegt die Prävalenz zwischen ein und zwei Prozent. Nutzungsstörungen im Internet gibt es neben dem Bereich des Computerspiels insbesondere in den Bereichen Social Media und Pornografie.“
Mediensucht bei Jugendlichen vorbeugen
Vor diesem Hintergrund fordert der Suchtexperte, „dass der gesunde Umgang mit Medien zu einer Kernkompetenz in der Gesellschaft werden muss“. Es brauche mehr zielgerichtete Präventionsangebote im Bereich Verhaltenssucht, angefangen bei einer frühzeitlichen Medienbildung, die schon im Kindergarten- und Grundschulalter ansetzt, sowie Fortbildung für Erzieher*innen und Lehrkräfte.
Auch die Eltern müssten stärker adressiert und einbezogen werden, betont Schroers in der Frankfurter Rundschau. „Kinder wachsen zunehmend in der Medien- und digitalen Welt auf – da geht es entscheidend um Vorbilder, um die richtige Begleitung und das Aushandeln von Grenzen.“
Es sei wichtig, Medien nicht zu verteufeln, „sondern Medienkompetenz zu schulen, damit junge Leute die positiven Möglichkeiten nutzen können, die Medien bieten“. Dabei geht es auch um Erwerb und Zugang zu Wissen, um soziale und gesellschaftliche Bildung, aber auch um Kompetenzen, die später in der Arbeitswelt gebraucht werden.
Text: iba