Frauen in Ostdeutschland mit
8,5 Prozent, bei Männern der
gleichen Gruppe gab es ein
Plus von 8 Prozent.
Vor allem in Dienstleistungs
berufen hat sich die Bezahlung
verbessert: Der ostdeutsche
Einzelhandel, das Gastgewer-
be, die Wach- und Sicherheits-
dienste und „sonstige perso-
nennahen Dienstleistungen“,
zu denen etwa Wäschereien
und Frisöre gehören, verzeich-
neten kräftige Steigerungen.
Im Gastgewerbe, das vomMin-
destlohn am stärksten betrof-
fen ist, stiegen die Verdienste
um 2,9 Prozent, in Ostdeutsch-
land sogar um 8,6 Prozent. In-
nerhalb des produzierenden
Gewerbes wurde in der Fleisch-
verarbeitung bis zum dritten
Quartal ein Zuwachs von ins-
gesamt 5,6 Prozent erreicht.
Auch die Tarifpolitik hat nach
der WSI-Analyse dazu beige
tragen, dass die unteren Lohn-
gruppen weiter aufholen konn-
ten. In mehreren Branchen, in
denen es noch tarifliche Nied-
riglöhne unter 8,50 Euro gab,
wurden höhere Verdienste be-
reits vor 2015 vereinbart. Die
Gewerkschaften wollten damit
niedrige Tarifentgelte an das
Mindestlohnniveau heranfüh-
ren, während die Arbeitgeber-
verbände auf die möglichst
weitgehende Ausnutzung des
Übergangszeitraums von zwei
Jahren zielten. Zu den betrof
fenen Branchen zählen das
Friseurgewerbe, die Fleisch
industrie sowie der Bereich
Land- und Forstwirtschaft und
Gartenbau. Anfang 2015 lag
der Anteil der Niedriglohngrup-
pen unter 8,50 Euro in Tarifver-
trägen nur noch bei 6 Prozent.
Durch weitere Tarifanpassun-
gen konnte er im Laufe des
Jahres 2015 auf 3 Prozent
weiter reduziert werden,
zeigt die Auswertung der
Wissenschaftler.
Die von vielen Ökonomen prog-
nostizierten Jobverluste sind
ausgeblieben, geht weiter aus
der WSI-Analyse hervor. Die Be-
schäftigung hat im Gegenteil
kontinuierlich zugenommen.
Im Oktober 2015 gab es nach
Angaben der Bundesagentur
für Arbeit 713 000 mehr so
zialversicherungspflichtige
Beschäftigte als im gleichen
Monat des Vorjahres. Dies ent-
spricht einem Zuwachs von 2,3
Prozent. In Ostdeutschland fiel
das Plus mit 1,9 Prozent leicht
geringer als in Westdeutsch-
land mit 2,4 Prozent aus. Gera-
de in Branchen mit traditionell
vielen Geringverdienern sind
nach Einführung des Mindest-
lohns nicht nur die Verdienste,
sondern auch die Zahl der Jobs
kräftig gestiegen. Den größten
Beschäftigungsaufbau ver-
zeichnete mit 6,6 Prozent das
Gastgewerbe, gefolgt von den
Bereichen „sonstige wirtschaft-
liche Dienstleistungen“, Leihar-
beit, Heime und Sozialwesen
sowie Verkehr und Lagerei. Le-
diglich bei der Beschäftigung in
der ostdeutschen Land- und
Forstwirtschaft weist die Sta-
tistik einen geringen Rückgang
in einer traditionellen Niedrig-
lohnbranche aus. Allerdings
könne dieser kaum auf den
Mindestlohn zurückgeführt
werden, so die Forscher. Denn
gerade in diesem Bereich gilt
ein Branchenmindestlohn un-
terhalb von 8,50 Euro.
<<
Mindestlohn
noch zu niedrig
Vor dem Hintergrund der posi-
tiven Erfahrungen werde der-
zeit über die Anhebung des
Mindestlohns diskutiert, so
das WSI. Diese soll erstmals
Anfang 2017 erfolgen. Als Ori-
entierungsgröße für die Emp-
fehlung der Mindestlohnkom-
mission gilt die Entwicklung
der Tariflöhne in den Vorjah-
ren. Nach dem Tarifindex des
Statistischen Bundesamtes
stiegen die Tariflöhne 2014
und 2015 insgesamt um 5,5
Prozent. Das heißt für den Min-
destlohn: Er müsste auf etwa
neun Euro angehoben werden.
Darüber hinaus wäre zu prüfen,
ob ein solches Mindestlohnni-
veau tatsächlich den im Gesetz
geforderten „angemessenen
Mindestschutz der Arbeitneh-
merinnen und Arbeitnehmer“
gewährleistet, heißt es imWSI-
Bericht. Für eine Abwägung se-
hen die Forscher verschiedene
relevante Orientierungsmar-
ken: So liegen die Mindestlöh-
ne in Westeuropa derzeit alle
oberhalb von neun Euro pro
Stunde. Der französische Min-
destlohn liegt sogar mehr als
einen Euro über dem deut-
schen Niveau. Auch relativ be-
trachtet ist der deutsche Min-
destlohn niedrig: Er entspricht
weniger als 50 Prozent des
Medianlohns in Deutschland.
Nach gängiger Definition müs-
se er damit als „Armutslohn
betrachtet werden“, schreiben
die Wissenschaftler. In den Dis-
kussionen um eine europaweit
koordinierte Mindestlohnpoli-
tik werde oft eine Untergrenze
von 60 Prozent des Median-
lohns im jeweiligen Land als
„angemessen“ betrachtet. Für
Deutschland würde dies eine
Erhöhung auf mehr als zehn
Euro bedeuten. Oberhalb dieser
Marke liegen auch die meisten
tariflich vereinbarten Bran-
chenmindestlöhne.
<<
Öffentlicher Dienst
und Mindestlohn
Was hat das mit dem öffentli-
chen Dienst zu tun, wo nach
Entgelt- und Besoldungsgrup-
pen bezahlt wird? Theoretisch
dürfte der Mindestlohn hier
gar kein Thema sein. „Das
stimmt nicht ganz“, weiß Vol-
ker Geyer, Bundesvorsitzender
der Kommunikationsgewerk-
schaft DPV (DPVKOM). „In den
Postnachfolgeunternehmen
Post, Postbank und Telekom
spielt das Thema Mindestlohn
in der Tat keine Rolle. Das kann
für den gesamten Postmarkt
jedoch nicht behauptet wer-
den. Insbesondere im Bereich
alternativer Zustelldienste ver-
dienen die Beschäftigten oft-
mals weniger als den Mindest-
lohn.“ So seien dort viele
Beschäftigte als Subunterneh-
mer und Scheinselbstständige
auf dem Postmarkt tätig. Für
diese Gruppen gelte der ge-
setzliche Mindestlohn nicht.
„Im Bereich der Call-Center
wurde der gesetzliche Min-
destlohn unseres Wissens
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dbb magazin | März 2016