dbb magazin 03/2016 - page 18

nung des Arbeitsmarktbüros
die ersten Kunden aus eige-
nem Antrieb bei ihnen vorbei-
kamen, hat den eingeschlage-
nen Weg der Zusammenarbeit
rasch bestätigt.
Leheng Kassem nimmt seine
Zukunft selbst in die Hand.
Im Herbst 2014 flüchtete Le-
heng Kassemmit seinem zwei
Jahre jüngeren Bruder aus Syri-
en über die Balkanroute. Im
November 2014 stellten sie ih-
ren Asylantrag. Und da sich das
Warten auf eine Entscheidung
auch mit Eigeninitiative vertrei-
ben lässt, begann Leheng Kas-
sem für sich allein Deutsch zu
lernen. Anfang 2015 stieg er in
Hofbieber, wo er untergebracht
ist, in einen Bus und fuhr ins
Arbeitsmarktbüro nach Fulda.
„Er stand einfach vor der Tür
und fragte, ob ich ihm ein Prak-
tikum immedizinischen Be-
reich vermitteln könnte“, be-
richtet Martin Vogel. „Als ich
ihn fragte, wie er denn von un-
serem neuen Service erfahren
hat, antwortete er mit einem
Satz, den ich wortwörtlich in
Erinnerung habe: ,Wenn wir
fragen, es gibt Antworten.‘ “
Der junge, aber schon erfahre-
ne Arbeitsvermittler, der wie
alle Mitglieder seines Berufs­
standes gute Kontakte zu den
Arbeitgebern und Bildungsins-
tituten der Region pflegt, er-
möglichte Leheng Kassem die
Teilnahme an der Maßnahme
„Perspektiven für Flüchtlinge“,
die auch ein Praktikum beinhal-
tet. Das Klinikum Fulda willigte
ein, Leheng Kassem als Prakti-
kanten anzunehmen.
Als Martin Vogel Leheng Kas-
sem im Klinikum besucht, hat
er vier von sechs Wochen Prak-
tikum hinter sich – und weiß,
dass er am richtigen Platz ist:
„Ich habe in Syrien drei Monate
Medizin studiert. Ich möchte
so gut Deutsch sprechen, dass
ich hier wieder studieren
kann“, sagt er fließend. Zu-
erst würde er gern eine Lehre
im Krankenpflegebereich be-
ginnen. „Ich habe noch viele
Probleme mit der Grammatik“,
räumt der Deutsch-Autodidakt
ein. „Ich habe leider nicht so
viel Kontakt mit deutschen
Leuten wie nötig, um besser
zu sprechen“, fügt er leise hin-
zu. Die Patienten der Inneren
Station haben den freundli-
chen jungen Mann mit dem
wachen Blick rasch ins Herz ge-
schlossen, erzählen die Kran-
kenschwestern. Und Claudia
Venus von der Pflegedienst­
leitung des Klinikums Fulda
betont gegenüber Martin
Vogel, dass sie in dem großem
Krankenhaus durchaus gute
Chancen für eine spätere Be-
schäftigung des Syrers sieht.
„Zuerst muss er natürlich sei-
ne Sprache und Qualifikation
verbessern. Wenn er das ge-
schafft hat, könnten wir ihn
gut auch als Dolmetscher ein-
setzen. Wir haben immer mehr
Patienten, die sich nur auf Ara-
bisch richtig verständlich ma-
chen können.“
„Ich werde Sie nach Ende des
Praktikums wieder ins Arbeits-
markbüro einladen“, sagt Ar-
beitsvermittler Vogel beim
Abschied zu Kassem. „Dann
schauen wir, was wir als nächs-
tes für Sie tun können.“
Für Waldemar Dombrowski
sind Erfolgsgeschichten wie
die von Leheng Kassem ein Be-
leg, dass Flüchtlinge in nicht
allzu ferner Zukunft auf dem
ersten Arbeitsmarkt vermit-
telt werden können. „Gerade
in Regionen wie hier in Ost­
hessen, in der viele Lehrstel-
len mangels Bewerbern nicht
mehr besetzt werden, könn-
ten sie helfen, die demografi-
sche Entwicklung abzumil-
dern“, sagt der Chef der
Arbeitsagentur Bad Hersfeld-
Fulda. „Wir dürfen uns aber
nichts vormachen: Ohne be-
rufliche und schulische Bil-
dung ist keine Integration
möglich. Und bis das bei den
Flüchtlingen erreicht ist, die
wir jetzt schon in unserem
System haben, werden in
vielen Fällen mehrere Jahre
vergehen. “
Text: Christine Bonath
Fotos: Jan Brenner
<<
„Ich möchte so gut deutsch sprechen, dass ich hier weiter Medizin stu-
dieren kann.“ Leheng Kassem aus Syrien hat auf demWeg zum Prakti-
kum im Klinikum Fulda viel Eigeninitiative gezeigt.
<<
Info
Die Arbeitsagentur Bad
Hersfeld-Fulda unterhält
Standorte in Fulda, Bad-
Hersfeld und Bebra sowie
eine Außenstelle in Hünfeld
und beschäftigt insgesamt
350 Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter. Als Dienststelle
der Bundesagentur für Ar-
beit ist sie zuständig für
gesamt Osthessen. Ihre Auf-
gaben sind im Sozialgesetz-
buch SGB III Arbeitsförde-
rung niedergelegt. Sie zielen
unter anderem darauf, den
Arbeitsmarkt durch Förde-
rung, Vermittlung und Bera-
tung auszugleichen. Anfang
November 2015 startete
zudem eine Reihe von In­
formations- und Bildungs-
angeboten, mit denen
Flüchtlinge Schritt für
Schritt für den deutschen
Arbeitsmarkt qualifiziert
werden sollen.
<<
„Wir werden sehen, was wir als nächstes für Sie tun können.“ Vermittler
Martin Vogel pflegt gute Kontakte zu den Arbeitgebern der Region.
18
fokus
dbb
>
dbb magazin | März 2016
1...,8,9,10,11,12,13,14,15,16,17 19,20,21,22,23,24,25,26,27,28,...48
Powered by FlippingBook